Die „Manufaktur“ für Spezialfälle

Kuhn Innovation: Automatisieren für mehr Effizienz und Nachhaltigkeit. Weiterlesen

von: Michael Vehreschild

Automatisch erfolgreich – das ist aus Sicht der Kuhn Innovation GmbH eine Erfolgsformel. Daher wünscht sich das Unternehmen aus Radevormwald, dass ein Automatisierungsschub durch die Gießereien geht, damit sie auch zukünftig in Europa konkurrenzfähig zu betreiben sind. Denn Herausforderungen wie Fachkräftemangel, Energieeffizienz, Arbeitssicherheit und Qualität fordern die gesamte Branche heraus. Kuhn Innovation, als eigenständige Gesellschaft erst vor etwas mehr als zwei Jahren gegründet, möchte daher die Automatisierung und Digitalisierung beschleunigen – bei den eigenen Gießereien der Kuhn Industrie Holding, aber eben auch bei externen Unternehmen.

 

Wie viele andere befinden sich die Gießereien der Unternehmen Kuhn Edelstahl und M. Jürgensen, die genauso wie Kuhn Innovation zur Kuhn Industrie Holding gehören, im Wandel. Um diesen bestmöglich zu bewältigen, wurde 2020 Kuhn Innovation gegründet. Dort wurden die bisher getrennten Konstruktionsabteilungen der beiden Unternehmen zusammengelegt.
„Ziel war es, die an beiden Orten vorhandenen Kapazitäten zu bündeln und eine Organisationsform zu schaffen, die beide Standorte mit Automationen beliefert und dadurch einen Synergieeffekt gewinnt“, erläutert Alfred Tenner, Geschäftsführer von Kuhn Innovation.

Alfred TennerAlfred Tenner, Geschäftsführer der Kuhn Innovation GmbH.

Automatisierung auch für fremde Gießereien

Mehrere Gießmaschinen in den eigenen Standorten wurden bereits teilautomatisiert. Der Bogen spannt sich dabei von kleinen Erweiterungen bis zur Entwicklung neuer Anlagen in den Gießereien, aber auch in den angeschlossenen Zerspanungen. Weitere Projekte sehen eine fortzusetzende Automatisierung der Gießereien vor. „Beweggründe hierfür sind die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, eine bessere und konstantere Qualität und eine bessere Energieeffizienz in der gesamten Fertigung“, betont Alfred Tenner. Herausforderungen, vor denen auch andere Gießereien stehen.

Etwas bemerkenswert ist es daher schon, dass Kuhn Innovation seine Leistungen – wie Beratung, Konstruktion, Elektrik und Software – für eine Automatisierung auch fremden Gießereien anbietet, die das Unternehmen neben der Stahlindustrie als wichtigste Anwenderbranche einstuft. Den Nutzen schätzt Kuhn Innovation höher ein als die Gefahr für das eigene Haus. Außerdem stellt der Bereich der Schleudergießerei eine Art Nische dar. Die Stärkung der Mitbewerber „wollen und werden wir vermeiden. Wir sind hier nicht fixiert auf Gießereien“. Denn zu den Kunden gehören auch Firmen aus den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau und der Robotertechnik.

Der Kurs, andere Unternehmen fit für den Wettbewerb zu machen, begann im Sommer 2021 und wird aktuell intensiviert. Erste Gespräche mit externen Gießereien gab es im August 2021. Durch das externe Geschäft, das sich also aktuell noch im Aufbau befindet, will sich die Firma ein weiteres Standbein aufbauen.

Qualitätssteigerung und mehr Effizienz

Der Geschäftsführer von Kuhn Innovation sieht weitere Vorteile der Automatisierung: So könne auch der Einsatz von Material und Hilfsstoffen reduziert werden. Durch die Steigerung der Qualität gebe es weniger Ausschuss – und der muss nicht nochmals eingeschmolzen und neu gegossen und gefertigt werden. „Diese Tatsache und die Einsparung von Hilfsstoffen dient der Reduzierung des Energieverbrauches“, betont Alfred Tenner. Besonders wertvoll in Zeiten, in denen die Energiekosten immer weiter klettern. Daher sei es auch wichtig, Verbräuche und Verluste per Sensorik zu lokalisieren und auszuwerten. Etwa in den Bereichen Elektrotechnik, Druckluft und Gas.

Durch Automatisierung (hier Lanzenfahrt in die vertikale Kokille) ist eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen möglich.Durch Automatisierung (hier Lanzenfahrt in die vertikale Kokille) ist eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen möglich.

 

Letztlich ist aus der Sicht des Geschäftsführers die erhöhte Automatisierung auch ein Hebel für die Fachkräftegewinnung. So bedeuten etwa Abschottungen und Absaugungen weniger Staub und Lärm. Körperlich schwere und monotone Arbeit wird durch die Automatisierung übernommen. Die Gießer sind weniger Hitze und Staub ausgesetzt. Die Arbeitssicherheit wird erhöht.

Die Lanzen sind mit verschiedenen Werkzeugen und Sensoren bestückt.Die Lanzen sind mit verschiedenen Werkzeugen und Sensoren bestückt.

 

Digitales Auswerten statt Zettelwirtschaft

Nicht zu trennen von der Automatisierung ist die Digitalisierung, die Kuhn Innovation ebenfalls forciert. Die Soll-Daten werden an die Maschinen und Mitarbeiter in digitaler Form vorgegeben. „Das beinhaltet auch den Aufbau der notwendigen Schnittstellen sowie eine ergonomische Anzeige und Bedienbarkeit“, unterstreicht Alfred Tenner. Die Erfassung der Ist-Daten aus dem Prozess erfolgt digital – „kein Bediener soll Daten auf Zetteln aufschreiben und nur im Einzelfall Daten am Bedienterminal eingeben müssen“. Der Anspruch hier ist es, geeignete Sensoren oder Methoden zur Erfassung aller Daten zu installieren. Die Daten werden in eine zentrale Datenbank übertragen. „Nun können die Daten ausgewertet, visualisiert oder per Algorithmen Sollvorgaben für zukünftige Aufträge generiert werden. Bei der Applikation neuer Sensoren und auch Auswertung der Daten werden wir durch unseren Partner, die Firma ASINCO, unterstützt.“

Und das letzte Wort in Sachen Digitalisierung ist – natürlich – noch lange nicht gesprochen. Alfred Tenner: „Diese Entwicklung ist unabdingbar für unseren zukünftigen Erfolg. Wir wollen unser Arbeitsfeld speziell im Bereich der Datenverarbeitung und Auswertung stärken, ohne jedoch das Know-how in der Feldebene zu vernachlässigen.“

Vertikalmaschine mit Linearroboter.Vertikalmaschine mit Linearroboter.

 

Linearroboter als wichtiger Teil der Automatisierung

Ein hauptsächlicher Bestandteil der Automatisierung sind Linearroboter, die laut Geschäftsführer Alfred Tenner robust gegenüber Staub und Hitze und leicht zu warten sind. Die Linearroboter werden zur Vorbereitung der Kokillen – säubern, schlichten, inspizieren – und für das Einbringen von Zusatzstoffen nach dem Abguss eingesetzt. Ebenfalls Teil der Automatisierung ist Messtechnik zum Erfassen von Temperaturen und Pegelständen. Dadurch wird eine konstante Qualität ebenso erreicht, wie eine Erhöhung der Arbeitssicherheit.

Die Linearroboter verfügen über drei bis fünf servogesteuerte Achsen, die körperlich schwere Tätigkeiten von Mitarbeitern übernehmen. Die Achsen bewegen sich mit ca. fünf m/min, wobei nicht die Geschwindigkeit, sondern die Robustheit im Gießprozess und die Möglichkeit der schrittweisen Erweiterung um weitere Funktionen die besonderen Eigenschaften sind. So laufen einige Prozesse in vorgewärmten Kokillen bei 400°C über einen Zeitraum von mehreren Minuten und nach dem Abguss für einige Sekunden bei weit über 1.000°C.

Weitere Innovationen geplant

Neben weiteren Automationen und Digitalisierungsprojekten unterstützt Kuhn Innovation die Gießereien auf dem Weg zu einer klimaneutralen Produktion. „Darauf gründen sich unsere vier Säulen: Automation, Digitalisierung, Energieeffizienz und Maschinensicherheit, die wir auch in externen Projekten umsetzen.“

Durch die Automation werden Arbeitsschritte immer konstant gleich ausgeführt. Hierdurch und durch die gezielte Erfassung von Parametern – wie etwa Temperaturen, Drücke und Schichtdickenmessungen – kann direkt auf den Fertigungsprozess eingewirkt werden, die Qualität der Produkte steigt und wird gleichmäßiger. Effizienz, Durchsatz und Durchlaufzeiten würden optimiert. Produktionsfehler werden zeitnah erkannt und es wird unmittelbar gegengesteuert.

Schlagkräftiges Team

Um innovative Konzepte zu kreieren, ist es aus Sicht von Alfred Tenner vorteilhaft, aus einem eher kleineren Team aus acht Mitarbeitern zu bestehen und eigenständig von der Kuhn-Gruppe auf dem Markt zu agieren. Die agile Arbeitsweise, das Fördern und Fordern neuer Ideen, vieles ausprobieren, keine Idee ist verboten – das gibt den Mitarbeitern den notwendigen Freiraum für Innovation.  Die Mitarbeitenden fühlen sich als Startup mit Historie in einem mittelständischen Unternehmen – mit viel Raum für Flexibilität.

Und eben diese Beweglichkeit – verbunden mit dem Know-how – ist notwendig, um passgenaue Lösungen anzubieten. „Wir sehen uns nicht als ‚Massenanbieter‘, sondern als kleine ‚Manufaktur für Spezialfälle‘.“ Zunächst aber wird der überwiegende Anteil – etwa zwei Drittel – weiterhin das interne Geschäft ausmachen. Die Basis hierfür scheint gelegt – Kuhn Innovation ist jedenfalls mit dem Start als Tochter der Kuhn Holding mehr als zufrieden, was Ansporn für die Zukunft ist.

 – Dieser Text ist im März 2023 in der GIESSEREI erschienen. –

Titelbild: © ASINCO GmbH – Mehrere Gießmaschinen in den eigenen Standorten wurden bereits teilautomatisiert. Im Bild die Kamerafahrt in eine horizontale Kokille.
Weitere Fotos: © Kuhn Innovation GmbH

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