Faktencheck Schleuderguss

Was sind die Vor- und Nachteile des Schleudergussverfahrens? Wie funktioniert das Verfahren? Und welche Bauteile lassen sich damit herstellen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um das Thema „Schleuderguss“. Weiterlesen

  1. Wie funktioniert das Schleudergussverfahren?
  2. Was ist eine Kokille?
  3. Wie schnell dreht sich die Kokille während des Gießvorgangs?
  4. Muss für jedes Bauteil eine neue Kokille angefertigt werden?
  5. Wie sieht eine Schleudergießanlage aus?
  6. Wieso gibt es horizontale und vertikale Gießanlagen?
  7. Was ist der wesentliche Vorteil des Schleudergussverfahrens?
  8. Sind im Schleudergussverfahren gefertigte Bauteile mit Schmiedequalität vergleichbar?
  9. Was sind die Nachteile beim Schleudergussverfahren?
  10. Welche Bauteile können erzeugt werden?
  11. Welche Abmessungen sind möglich?
  12. Welche Stückzahlen lassen sich gießen?
  13. Ist ein Verbundguss aus unterschiedlichen Werkstoffen möglich?
  14. Für welche Anwendungsfelder ist der Schleuderguss nicht geeignet?
  15. In welchen Branchen werden Bauteile aus dem Schleudergussverfahren eingesetzt?

Wie funktioniert das Schleudergussverfahren?

Beim Schleuderguss wird flüssiger Stahl oder flüssiges Eisen mit einer Temperatur im Bereich von 1.300 bis 1.600 Grad Celcius in eine sich schnell drehende Kokille gefüllt. Durch die Zentrifugalkraft wird der Werkstoff nach außen und somit an die Innenwand der Kokille gedrückt. Dort erstarrt er langsam während das Material sich abkühlt und nimmt somit die Innenform der Kokille an. Die Kokille kann dabei liegend (Horizontalguss) oder stehend (Vertikalguss) rotieren. Nach der Erstarrung wird das Gussteil aus der Form geholt und nach Bedarf in der Wärmbehandlung und/oder Zerspanung weiterberarbeitet.

Was ist eine Kokille?

Eine Kokille ist eine wiederverwendbare Gussform, auch Dauerform genannt. Die Kokille besteht meist aus geschmiedetem Stahl und ist innen mit einer keramischen Schutzschicht, der sogenannten Schlichte, beschichtet. Beim Schleudergussverfahren rotiert die Kokille um ihre Mittelachse.

Wie schnell dreht sich die Kokille während des Gießvorgangs?

Die Rotationsgeschwindigkeit ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Durch die Rotationsgeschwindigkeit wird die Schmelze den Zentripetalkräften ausgesetzt – ähnlich wie in einem Karussell, nur sehr viel stärker. Diese liegen im Horizontalguss im Bereich von 60 bis 120 g (1 g = Erdanziehungskraft). Je nach Durchmesser drehen Horizontalkokillen daher in der Größenordnung von einigen Hundert U/Min bis hin zu über Zweitausend U/Min.
Im Vertikalguss ist die Drehzahl entscheidend für die Ausbildung der Innenkontur. Hier bildet sich in Abhängigkeit von der Drehzahl ein Konus aus (ähnlich wie bei einem Wasserglas, welches schnell geschwenkt wird). Daher sind die Drehzahlen im Vertikalguss deutlich niedriger.

Muss für jedes Bauteil eine neue Kokille angefertigt werden?

Das ist unterschiedlich. Häufig sind Kokillen wiederverwertbar und die kundenspezifischen Maße und Formen entstehen anschließend durch die Bearbeitung des Gussrohlings in der Zerspanung. Damit dieser Rohling der finalen Form bereits möglichst nah ist, besitzen Schleudergießereien meist ein Lager verschiedener Kokillen, sodass nicht immer die Erstellung einer neuen Kokille erforderlich ist. Es gibt jedoch auch Bauteile, bei denen die Kokille individuell für die entsprechende Außenkontur ausgelegt wird.

Wie sieht eine Schleudergießanlage aus?

Es werden horizontale und vertikale Anlagen unterschieden. Den Kern der Anlage bildet immer die Kokille, die an einer sich drehenden Mittelachse befestigt ist und mit Deckeln verschlossen wird. Beim Horizontalguss wird die Schmelze in eine „liegende“ Kokille gegossen, beim Vertikalguss in eine „stehende“.

Wieso gibt es horizontale und vertikale Gießanlagen?

Ursprünglich wurden vertikale Gießanlagen vor allem für den Schleuderguss konischer Bauteile oder von Kugelformen verwendet. Außerdem ist der vertikale Guss dem horizontalen überlegen, wenn es um die Erzeugung großer, schwergewichtiger Bauteile geht.

Was ist der wesentliche Vorteil des Schleudergussverfahrens?

Durch die gerichtete, zentripetale Erstarrung verfügt der Schleuderguss über ausgesprochen isotrope Materialeigenschaften, wodurch er sich insbesondere zu gezogenen bzw. geschmiedeten Rohren unterscheidet. Die Qualität des Gussgefüges ist dem statischen Guss weit überlegen und Schleudergussbauteile sind in ihren Eigenschaften oft nahezu gleich wie geschmiedete Bauteile, bieten jedoch deutliche Vorteile bei der Flexibilität der herstellbaren Werkstoffe. Der Schleuderguss erlaubt eine konturnahe Auslegung des Gussteils, was prinzipiell effizienter, umweltschonender und kostengünstiger sein kann. Durch das spezielle Fertigungsverfahren ist es möglich, dimensionsunabhängig zu gießen, d.h. dass insbesondere die Wandstärke so beeinflusst werden kann, dass die notwendige Nachbearbeitung auf ein Minimum reduziert wird.

Sind im Schleudergussverfahren gefertigte Bauteile mit Schmiedequalität vergleichbar?

Ja. Durch die hohen Zentrifugalkräfte, mit denen der flüssige Stahl an die Innenwand der Kokille gepresst wird und die langsame Erstarrung während des Schleudervorgangs, weisen die Bauteile erheblich weniger Poren und Einschlüsse auf. Der Schleuderguss ist sehr rein und homogen in seinen Eigenschaften. Daher sind die Bauteile sehr belastbar und es können Werkstoffe und Werkstoffmodifikationen auch für Einzelbauteile effizient und schnell gefertigt werden.

Was sind die Nachteile beim Schleudergussverfahren?

Durch die notwendige Rotation ist die Formgebung eingeschränkt. Das Verfahren eignet sich daher nur für ring- und rohrförmige Bauteile oder einfach gesagt „alles was rund ist und ein Loch in der Mitte hat“. Materialtechnisch gibt es keine wesentlichen Nachteile im Vergleich zum statischen Guss oder Schmiedeprodukten.

Welche Bauteile können erzeugt werden?

Im Prinzip lassen sich alle rohr- und ringförmigen Bauteile im Schleuderguss produzieren. Klassische Bauteile sind: Rohre, Hohlwellen, Wellenschutzhülsen, Ringe, Räder, Gelenk- und Laufbuchsen, Dichtungen, Schaltkugeln, Holstangen, Walzen, Rollen, Zylinderlaufbuchsen, Trommelmäntel und Schneckenkörper.

Welche Abmessungen sind möglich?

Die Abmessungen sind abhängig von den verfügbaren Gießanlagen und kompatiblen Kokillen und sind daher in jeder Gießerei individuell.

Welche Stückzahlen lassen sich gießen?

Grundsätzlich sind im Schleudergussverfahren Einzelfertigungen ebenso möglich wie Serienproduktionen. Die Eignung des Verfahrens ist daher je nach Anforderungen des entsprechenden Bauteils individuell zu bestimmen.

Ist ein Verbundguss aus unterschiedlichen Werkstoffen möglich?

Ja. Im Schleudergussverfahren besteht die Möglichkeit, verschiedene Materialien zu kombinieren. Die Schichten werden, meist während die Erstarrung noch nicht abgeschlossen ist, übereinander gegossen. So lassen sich unterschiedliche Eigenschaften von Stählen vereinen und beispielsweise Bauteile gießen, die eine hoch korrosions- oder verschleißfeste Außenschicht von mehreren Zentimetern haben und über einen duktilen Kern verfügen.

Für welche Anwendungsfelder ist der Schleuderguss nicht geeignet?

Jedes im Schleuderguss hergestellte Bauteil hat durch die Fertigung in Rotation ein (zumindest kleines) zentrisches Loch. Das bedeutet, flache Bauteile wie Bleche, Pfannen etc. sowie komplexe, geschlossene Formen können nicht im Schleudergussverfahren gegossen werden.

In welchen Branchen werden Bauteile aus dem Schleudergussverfahren eingesetzt?

Bauteile kommen fast in der gesamten Industrie zum Einsatz, meist als Bestandteil größerer Anlagen oder Motoren und Generatoren. Klassische Industriezweige sind der Motorenbau von Großmotoren, die Chemie- und Pharmaindustrie, die Entsorgung wie die Klärschlamm- und Lackschlammbehandlung oder das Kunststoffrecycling, der Pumpenbau, die Hüttentechnik, Papierproduktion oder die Lebensmittelindustrie.

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